ein Gastartikel von Luka von LuCalisthenics

Einleitung des Blogautors (Uwe): Wenn ich unterwegs bin, dann suche ich meistens bereits im Vorfeld nach Calisthenics Parks in meinem Zielgebiet. Nicht nur, dass ich dort als Hindernisläufer hervorragend trainieren kann, ich schaue den Jungs und Mädels gerne zu. Es ist einfach unglaublich was diese Athleten leisten.

Deshalb freue ich mich sehr über das Angebot von Luka, seine Sportart hier vorzustellen. Danke Luka!

Was ist Calisthenics und woher kommt es?

Calisthenics (griechisch: kalos „schön“, „gut“ und sthenos „Kraft“) ist, wie auch Gewichtstraining, Freeletics oder Crossfit eine Form des körperlichen Trainings.  Es beinhaltet oft eine Reihe von rhythmischen Bewegungen, die in der Schwierigkeit von einfach bis sehr komplex reichen. Trainiert wird dabei mit dem eigenen Körpergewicht.

Calisthenics hat verschiedene Stile. Mit der Zeit entwickelten die Athleten neue Bewegungsabläufe und fanden Wege, eine Übung schwieriger zu gestalten.
Heutzutage sieht man sehr oft auch Einflüsse aus anderen Sportarten, wie z.B. Turnen, Freerunning und Breakdance.

Da du nicht einfach wie beim Gewichtstraining mehr Gewicht auflegen kannst, musst du bei Calisthenics zu anderen Mitteln greifen, um Übungen schwieriger zu gestalten. Beispiele hierfür sind:

• Veränderung des Hebelarms (je größer der Hebel, desto schwieriger)
• Schwierige Progressionen oder explosive Ausführungen einer Übung (z.B. Liegestütz –> einarmiger Liegestütz oder Liegestütz mit Klatschen)
• Einsatz von Supersätzen
• Einsatz einer Gewichtsweste oder eines Widerstandsbandes

Dabei spielt das persönliche Empfinden immer die größte Rolle. Calisthenics eröffnet dir Möglichkeiten kreativ zu werden und eigene Wege zu finden, mit denen du dich wohlfühlen und individuell weiterentwickeln kannst.

Die Geburtsstadt des Calisthenics ist New York. Dort trainierten die Menschen in extra angelegten Sport-Parks, ohne dafür etwas zahlen zu müssen.
Diese Parks waren mit verschiedenen Stangen, Barren, Hangelgerüsten und ähnlichem ausgestattet und beinhalteten auch Elemente aus dem Turnsport.

Da bei Calisthenics viele der Übungen sehr ästhetisch sind, kam die Sportart durch diverse Videos im Internet mit der Zeit nach Osteuropa.
Im Jahre 2011 wurde in der lettischen Hauptstadt Riga die erste Weltmeisterschaft in Calisthenics veranstaltet.

Wusste vor ein paar Jahren in Deutschland noch kaum jemand über diese Sportart Bescheid, so verbreitet sie sich inzwischen nach und nach auch bei uns. Es entstehen immer mehr Outdoor-Parks und auch in Fitness-Studios ist Calisthenics keine Rarität mehr.

Warum ist Calisthenics so beliebt?

Um diese Frage zu beantworten, möchte ich Dir meine Top 3 Vorteile von Calisthenics nennen.

Du kannst immer und überall trainieren

Calisthenics basiert auf Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, du brauchst für ein Workout also keinerlei Equipment. Es ermöglicht ein Training ohne Ortsbindung. Du kannst daheim, auf Reisen im Hotelzimmer, im Freien, oder an jedem anderen Ort trainieren, der sich dir offenbart.

Klar, für Übungen wie beispielsweise den Klimmzug brauchst du eine Stange. Jedoch kannst du dazu auch einen Ast oder ein Treppengeländer nehmen. Kreativität zahlt sich auch hier wieder aus 😉

Ganzheitliches Training

Da du durch die Übungen mit dem Körpergewicht nahezu nur Verbundübungen (Übungen, an denen mehrere Muskelgruppen beteiligt sind) trainierst, ist es fast unmöglich, einzelne Muskelgruppen zu vernachlässigen. Außerdem wird für viele Übungen ein gewisses Maß an Beweglichkeit benötigt. Dadurch sinkt die Gefahr für eine unnatürliche Körperhaltung, die Verkürzung der Muskulatur und muskuläre Dysbalance.

Die Ausnahme stellt hier die Muskulatur des Unterkörpers dar, die du wie auch beim Gewichtstraining auf keinen Fall auslassen solltest!

Keine Kosten

Outdoor-Parks sprießen seit Beginn der Pandemie in vielen Gemeinden aus dem Boden. Sie sind öffentlich und kostenlos.

Gibt es in deiner Nähe einen solchen Park nicht, kannst du auch auf Spielplätzen vorbeischauen (Öffnungszeiten und Kinderspielzeiten beachten). Dort gibt es meist auch geeignete Vorrichtungen, um Klimmzüge, Dips etc. Auszuführen.

An dieser Stelle möchte ich noch sagen, dass Calisthenics kostenlos gestaltet werden kann, jedoch nicht muss.Natürlich gibt es die Möglichkeit, verschiedenes Equipment und Hilfsmittel zu kaufen. Falls du dich dafür interessierst, habe ich dir die wichtigsten und hilfreichsten Utensilien mit Vor- und Nachteilen hier zusammengestellt.

Ebenso kenne ich einige Sportler, die trotzdem noch aus verschiedenen Gründen, wie z.B. Motivation und Betreuung durch Trainer, in Fitness-Studios trainieren.

Was sind die wichtigsten Übungen in Calisthenics?

Je vielseitiger eine Übung die Muskulatur beansprucht und je mehr verschiedene Muskeln durch diese trainiert werden, desto wichtiger ist sie meiner Meinung nach für dein Kraftfundament.

4 Übungen zählen für mich daher zu den wichtigsten und essenziellen Übungen in Calisthenics. Neben den oben angeführten Gründen bauen alle schwierigen Körpergewichtsübungen auf diesen Grundübungen auf. Beherrschst du also diese Grundübungen nicht, wirst du auch die fortgeschritteneren Bewegungen nicht erlernen können, da dir schlicht und einfach die Kraft fehlt.

Daher macht es Sinn, zu Beginn deiner Calisthenics-Laufbahn primär die Grundübungen zu trainieren, bis du stark genug bist, zu schwierigeren Übungen überzugehen. Für tiefere Einblicke und Beispiele schau dir gerne diesen Beitrag an, der sich speziell mit den Grundübungen beschäftigt.

Klimmzug / Pull-Up

Als die Wichtigste Übung für ziehende Bewegungen ist der Klimmzug aus keinem Trainingsplan wegzudenken. Auch außerhalb von Calisthenics wird er oft angewandt und trainiert.

Ein Beispiel für eine darauf aufbauende Übung ist der Muscle-Up.

Liegestütz / Push-Up

Die wahrscheinlich bekannteste Übung, die mit dem eigenen Körpergewicht ausgeführt wird. Schon im Sportunterricht in der Schule wird die korrekte Bewegungsausführung geschult. Alleine dieser Fakt zeigt die Bedeutung der Liegestütze für die Kräftigung und bewussten Bewegungen des Körpers.

Ein Beispiel für eine darauf aufbauende Übung ist der Handstand-Liegestütz.

Dip

Ähnlich wie der Liegestütz trainiert der Dip primär die drückende Muskulatur. Der Unterschied ist, dass der Oberkörper nicht parallel zum Boden steht, sondern senkrecht dazu. Dadurch wird die Muskulatur anders belastet. Außerdem bildet diese Übung die Stabilität im Schultergelenk sehr gut aus.

Beispiele für darauf aufbauende Übungen sind der L-Sit oder der Planche Push-Up.

Kniebeuge / Squat

Die Königsübung für die Muskulatur des Unterkörpers. Neben der gesamten Beinmuskulatur muss die Core-Muskulatur stabilisierend arbeiten. Außerdem werden Beweglichkeit, Koordination und der Gleichgewichtssinn trainiert.

Ein Beispiel für eine darauf aufbauende Übung ist der Pistol Squat (einbeinige Kniebeuge).

Beispiel Klimmzug: Wie erlerne ich Übungen?

Anhand des Klimmzugs werde ich dir jetzt eine sehr effektive Methode zeigen, mit der du jede Übung mit dem eigenen Körpergewicht früher oder später erlernen kannst.

Und zwar ist es die Progression. Dabei stellt die zu erlernende Übung, hier also der Klimmzug, immer die letzte Stufe dar, die es zu erreichen gilt.

Nun überlegst du dir leichtere (!) Variationen deiner Wunschübung. Fang an, die leichteste Variation zu trainieren und gehe zur nächsten über, sobald du eine vorher festgelegte Wiederholungszahl (bei statischen Übungen zählt hier die Haltedauer) erreichst.

Dadurch wird die für die angestrebte Übung benötigte (Hilfs-)Muskulatur immer stärker und der Bewegungsablauf verinnerlicht.

Sollte dir mal zu einer Übung keine leichtere Variation einfallen, kannst du als letzte (oder zusätzliche) Möglichkeit Teilbewegungen, wie beispielsweise nur der exzentrische oder statische Teil der Übung trainieren.

Genug der Theorie. Nun wie versprochen das Beispiel Klimmzug. Folgendermaßen würde ich auf den Klimmzug hintrainieren:

1. Aktiver Hang, Schulterblätter nach unten ziehend, statisch
2. Wechsel aktiver – passiver Hang, dynamisch
3. Australischer Klimmzug (siehe Bild)
4. Jump Pull-Up, in die obere Position springen, kontrolliert ablassen (somit Training einer Teilbewegung)
5. Klimmzug halten obere Position, statisch
6. Jump Pull-Up, obere Position halten, danach kontrolliert ablassen (4.+5. kombiniert)
7. (wenn vorhanden) Klimmzug mit Widerstandsband

Hier möchte ich noch einmal erwähnen, dass dies nur eine Idee darstellt, wie du den Klimmzug erlernen kannst. Vielleicht liegen dir Negativwiederholungen nicht oder du hast Schmerzen in der Schulter, wenn du den Klimmzug statisch in der oberen Position hältst.

Nicht umsonst sind Kreativität und Individualität zwei der Eigenschaften, die diese tolle Sportart auszeichnen.

Schlusswort und Fazit

Keine Frage: Wie jede Sportart hat auch Calisthenics positive und negative Aspekte.

Die Übungen sehen unglaublich toll aus, du wirst eine starke und funktionelle Muskulatur aufbauen. Doch das alles kommt nicht von ungefähr: Du brauchst einen eisernen Willen, Disziplin und Motivation. Auch ich dachte nach dem Anschauen einiger Calisthenics-Videos: „Das sieht ja leicht aus. Das bekomme ich auch hin nach ein paar Mal üben.“ Weit gefehlt!

Oft dauert es Jahre, bis Muskulatur, Sehnen, Bänder und Gelenke stark genug sind, eine bestimmte Übung zu beherrschen. Das erfordert Geduld und Glaube an Dich und Deine Fähigkeiten.

Versteh‘ mich bitte nicht falsch: Ich liebe Calisthenics! Eine so vielseitige und aufregende Sportart ist mir selten begegnet. Das Gefühl, nach langem Training endlich eine Bewegung zu beherrschen, ist unbeschreiblich. Ich möchte nur sagen, dass der Weg dorthin steinig sein kann.

Ist dir das von vornherein bewusst und du bist darauf eingestellt, kann ich dir nur wärmstens ans Herz legen, Calisthenics auszuprobieren und deine eigenen Erfahrungen zu machen. Vielleicht wirst du ja auch eines Tages wie ich ein fanatischer Athlet, der jeden Tag versucht, sein Bestes zu geben und sich stetig verbessern zu wollen.

Ich wünsche dir viel Erfolg und Spaß!

Luka von LuCalisthenics

calisthenics